No pain, no gain – Der Homo athleticus

Kolumne von Jael Inauen

Heute, werte Leser, werden wir uns die sich stetig vermehrende Spezies der Athleten vornehmen. Diese zeichnen sich im Gegensatz zu den Pedanten nämlich nicht durch ihre vielen Leiden, sondern durch ihre fast noch zahlreicheren Pflichten aus. Diese müssen, um die (meist männliche) Attraktivität zu beweisen, stets vollführt werden. Nun präsentieren wir Ihnen nach langer Beobachtung das Verhalten des Athleten in natürlichem Lebensraum.

Sehr selten im Allgemeinen, doch für den geneigten Athleticus umso selbstverständlicher, ist die Unwichtigkeit des allgemeinen Besitzes (ausgenommen natürlich des provokant auf dem Bürgersteig parkierten roten Maserati) und des Berufes, es sei denn dieser würde mit den Pflichten des Athleticus zusammenhängen. Diese alles entscheidenden Pflichten allerdings sind höchst komplex und nicht einfach zu befolgen; schon am frühen Morgen muss der alltägliche Proteinshake und das ausschliesslich aus Eiweiss bestehende Frühstück zubereitet und vor dem genüsslichen Verzehr auf Instagram[1] hochgeladen werden. Dann muss mindestens einmal pro Tag der Gang ins Fitnessstudio getätigt werden. Auch dies sei sofort dokumentiert, vorzugsweise ohne Oberkörperbekleidung und die weiblichen Pendants mit einem neonpinken Sportbüstenhalter. Auch dies wird unverzüglich auf einer sozialen Plattform präsentiert, natürlich mit den durch das Workout verursachten Schweissausströmungen. Schliesslich wird dieses Kunstwerk durch einen sehr inspierenden Spruch wie „Work hard, play hard“ oder „Live your dreams“ abgerundet.

Aber auch zusammentun kann sich diese Spezies. Verdeutlicht wird dies noch einmal durch das das gesamte Leben bestimmende Selfie, auf welchem immer auf den jeweils anderen Athleticus verwiesen wird, um die soziale Kapazität unter Beweis zu stellen. Auch sonst sind der Ruf und das Sozialleben das non plus ultra des Athleten, die wichtigste Aufgabe im Tun und Handeln, denn die Pflege des Körpers ergibt natürlich nur Sinn, wenn die Muskeln bemerkt und die Beiträge gelikt werden. Darüber steht aber noch das Bekehren eines Bekannten zum Athleticus, was auch (durchaus notwendige) missionarische Züge annehmen kann, bei denen nicht geruht wird, bis ein entsprechendes Foto im „Gym“ geschossen werden kann.

 

[1] Soziales Netzwerk der Selbstbeweihräucherung (App mit der Möglichkeit, selbstgeschossene Fotos hochzuladen)

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