“Erfolg kommt nicht von folgen”

Er hat fast die ganze Welt gesehen, war beim Alumni-Anlass vergangene Woche aber zum ersten Mal in Einsiedeln: André Lüthi, der CEO von Globetrotters, dem viertgrössten Reiseunternehmen der Schweiz. Wie er selbst seinen beruflichen Weg fand und warum Reisen vielmehr als Urlaubmachen ist, verriet er den Stiftsschülerinnen und Stiftsschülern bei der abendlichen Podiumsveranstaltung aus der Reihe „Unternehmergespräch“.

Reisen ist auch bei den jugendlichen Zuhörern sehr populär. Vor den Ferien werden die jeweiligen Pläne und nach den Ferien die jeweiligen Bilder ausgetauscht. Für André Lüthi ist Reisen jedoch nicht die Pause vom Alltag, die Unterbrechung der Routine, sondern eine Lebenseinstellung. „Reisen ist eine Lebensschule.“, so fasst es der dynamische Berner zusammen. Beim Reisen lerne man auf sich selbst zu hören, sich mit dem Alleinsein auseinanderzusetzen und einen unvoreingenommenen Blick auf andere Kulturen einzuüben. Dass sich in der Folge auch der Blick auf das eigene Land verändere und man umgekehrt aber auch so manches Heimische besser zu schätzen wisse, sei ein weiterer positiver Effekt des Reisens.

Sportler, Bäcker, Reisender

Doch Lüthis Berufsleben fing zunächst ganz anders an: Zunächst galt seine Leidenschaft ganz dem Sport, sein Traum: die olympischen Spiele. Diesem Plan ordnete er auch seine beruflichen Ziele unter. Er begann eine Bäckerlehre, um – so Lüthis Worte – möglichst viel Zeit für den Sport zur Verfügung zu haben. Bei einem Bäckeralltag, der um 3 Uhr beginnt und mittags um 12 aufhört, sei das geradezu ideal gewesen. Die Wende kam aber, als er mit 19 Jahren knapp an der Qualifizierung für den Profisport scheiterte und mit einem unliebsamen Beruf und einer eben zu Ende gegangen Beziehungen dastand. Eine Krisensituation, der der rebellische Jugendliche mit einer mehrmonatigen Reise entkommen wollte. Eben damals, als er sich in Bern ein One-way-Ticket nach Peking gekauft hatte und er anschliessend zwei Monat tibetische Hirten durch den Himalaya begleitete¸ wurde ihm klar, dass das Reisen ganz seinem Lebensideal entsprach.

CEO der Globetrotter Holding

Gut 30 Jahre später ist der erfolgreiche Unternehmer Chef der Globetrotter Holding, Vorgesetzter   von 14 CEOS und schweizweit 430 Angestellten und nach wie vor ein begeisterter Reisender. Drei Monate jährlich macht er sich mit Familie oder auch allein auf den Weg, um neue Gebiete zu entdecken und seinen Horizont immer wieder zu erweitern.

Reisen als Lebensschule

Doch was hat es nun mit dem „Reisen als Lebensschule“ auf sich? Für Lüthi bringt Reisen, das er als möglichst individuelles, langfristiges und entdeckendes Reisen versteht, die Möglichkeit mit sich, Werte wie Respekt und Toleranz ebenso wie Flexibilität und Improvisationstalent zu erlernen und darüber hinaus, neben dem jeweiligen Land auch sich selbst kennenzulernen. Bei einem zweiwöchigen Mallorcaurlaub der massentouristischen Art sei dieses Lernen freilich nicht möglich, vielmehr plädiert er für ein „weniger ist mehr“, also das Bereisen einer einzelnen Region, in der man sich dann möglichst intensiv auf Land und Leute einlässt.

Kein Trinkwasser im Dorf

Dass man auf Reisen auch mit globalen oder lokalen ökologischen Problemen konfrontiert wird, ist André Lüthi ebenso ein Anliegen. In einem thailändischen Dorf sei etwa wegen des immensen Ressourcenverbrauchs in einem Hotel das Wasser ausgegangen. Anzusprechen seien darüber hinaus die immer billigeren Flugpreise, die zum „unreflektierten Überwinden von Distanzen“ geradezu verleiten würden.

Nach Nordkorea

Und wie beeinflusst die Politik das Reisen? Sollte man als Reisender hier die jeweilige politische Situation für seine Reiseplanung mit berücksichtigen? – so die Frage eines Schülers des von Helmut Fuchs geleiteten Podiums, bezugnehmend auf den derzeit leicht eingebrochenen USA-Tourismus. Für Lüthi gilt hier: In akuten Gefahrensituationen halte man sich an die Empfehlungen der EDA, ob eine Reise in das jeweilige Land sicher sei oder eben nicht. Werde aber keine Reisewarnung ausgesprochen, befürworte er es, sich selbst ein Bild vom jeweiligen Land zu machen. „Einmal sehen ist besser als tausendmal hören.“ – so sein Motto. In der Konsequenz daraus steht für Lüthi Reisen nach Nordkorea nichts im Wege. Entsprechende Angebote gebe es deshalb auch im Globetrotter-Angebot. Er selbst war schon viermal vor Ort.

Reisen für Führungskräfte

Während Globetrotter in seinen Anfangsjahren vor allem bei jungen Aussteigern mit Rucksack populär war (Lüthi war selbst einer davon), gibt es heute Beratungen in verschiedenen Preisklassen. Vor allem Führungskräften empfehle er aber das Reisen und zwar „besser sieben Wochen als zwei Wochen.“ So lerne man zu delegieren, zu organisieren und zu vertrauen. Das Unternehmen soll freilich nach der Rückkehr noch bestehen, gerade aber auch seinen Mitarbeitern dieses Vertrauen entgegenzubringen, stärke die Unternehmenskultur. Ein guter Chef ist also ein abwesender Chef?

Für die Mitarbeiter von Globetrotters gilt dies gleichermassen. Schon für eine Anstellung ist es notwendig, bereits drei Kontinente (ausser Europa) bereist zu haben und auch weiterhin bereit zu sein, jährlich ein Monat jährlich in Form unbezahlten Urlaubs anzutreten. Die Idee dahinter: Nur wer selbst schon durch Südamerika gereist sei, könne in den Beratungen authentisch über Südamerika berichten und gemeinsam mit dem Kunden interessante Angebote generieren. Auch so manchen Mitarbeiter hat er durch das Reisen kennengelernt und hinsichtlich seiner Eignung überprüft: Mit einem Bewerber verbrachte er mehrere Monate unter Extremsituationen im Himalaya. Danach war im klar, dass dieser Mann sein Nachfolger werden konnte.

Die Zukunft der Reisebranche

Und wie schaut das Reisen der Zukunft aus? Gibt es in Zeiten von booking.com und ebookers überhaupt noch Bedarf nach einem Reisebüro? Im herkömmlichen Sinne sicherlich nicht, so der 57jährige. Konventionelle Flug- und Hotelbuchungen können heute schon bequem über das Internet getätigt werden, Kataloge mit fertigen Pauschalangeboten seien ebenso nicht mehr das Gebot der Stunde. Was nach wie vor und wohl auch in Zukunft gefragt sei, seien aber individuelle Beratungen von gut qualifizierten Mitarbeitern. „Weg vom Produkt, hin zur Beratung“ – das ist also state of the art in der Tourismusbranche. Ob das Ergebnis dann ein Reiturlaub in Afrika oder ein Roadtrip durch Sibirien ist, sei dann sekundär. Die individuelle Betreuung des idealerweise glücklichen Kunden ist schliesslich das formelle Ziel des Unternehmens, denn „die beste Werbung ist immer der Kunde.“

Leben, was man spürt

Den  mitdiskutierenden Schülerinnen und Schülern am Podium, Leon Curti, Kevin Brüngger, Niklas Meinhold und Svenja Hammer, riet der engagierte Manager dann auch hinsichtlich ihrer eigenen Berufswahl stets authentisch zu bleiben und das zu „leben, was man spürt.“ Erfolg komme gerade nicht von „folgen“, vielmehr solle jede/r selbst herausfinden, wofür er oder sie brennt und sich dann ganz dafür einsetzen. „Gelebte Leidenschaft“, Authentizität und Mut sind demnach auch Lüthis Erklärung für seinen beruflichen Erfolg, ebenso wie so mancher glückliche Zufall, der ihn aber ebenfalls auf Reisen in konkreten Personen begegnet sei.

Und ob Reisen für Maturanten mit kleinerem Budget auch schon möglich sei, fragt eine Schülerin aus dem Publikum.“ Ja, zuerst ein halbes Jahr arbeiten, ein Land auswählen und dann ein One-way-ticket kaufen.“, so Lüthi. Für so manchen bisherigen All-inclusive-Urlauber sicherlich eine Herausforderung.

Maria Egartner

 

André Lüthi (57) ist seit 1992 Chef von Globetrotter Schweiz, dem derzeit viertgrössten Reiseunternehmen der Schweiz.  Seit 2013 ist er Verwaltungsratspräsident des Globetrotter Travel Service und CEO der Holding Globetrotter Group. Unter dem Motto „Reisen statt Ferien“ bietet das Globetrotter Travel Service vor allem qualifizierte Beratungen an. Lüthi selbst heute noch mehrere Monate pro Jahr unterwegs.

http://www,globetrotter.ch

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