„Voraustragen, was am wichtigsten ist, nämlich das Kreuz“

Abt Urban zeigt Schmuckstücke aus der klösterlichen Sammlung

21.9.2022/Stiftsschule Einsiedeln: Alle Benediktinermönche tragen einen einheitlichen schwarzen Habit, doch einer trägt jeweils ein auffälliges Schmuckstück um den Hals und einen markanten Ring am Finger: Der Abt eines Klosters verfügt schon seit Jahrhunderten über diese schon im Frühmittalter gebräuchlichen Insignien. „Pectorale“, also „An der Brust/am Herzen Getragenes“ heisst die Kette mit dem auffälligen Kreuzanhänger, der meist mit einem Ring mit Christusmonogramm in ähnlicher Machart kombiniert wird.

So mancher geht mit gemischten Gefühlen in die von Lehrerseite angefragte Präsentation. Sind goldene und zum Teil mit Edelsteinen besetzte Schmuckstücke zeitgemäss? Was kommt hier zum Ausdruck? Aber auch ganz konkret: Wie alt sind die ältesten Exponate der rund 30 Kreuze umfassenden Sammlung? Und wie wertvoll sind diese?

Die Äbtegalerie im Mauritiuszimmer

Abt Urban empfängt die wissbegierigen Lehrer bei der Hofpforte und begleitet sie hinauf in den zweiten Stock ins Mauritiuszimmer, einem repräsentativen Raum mit schweren Möbeln, an den Wänden in Öl gemalte Abtportraits. Sie alle tragen den Schmuck, der später auch in realiter angeschaut werden kann. Kreuze und Ketten in verschiedenen Fassungen, mal barock opulent, mit Perlen besetzt, mal das Kreuz an einer für Kenner als Fürstabtkette zu identifizierenden Fassung, mal schlichtere Formen ohne Christuskorpus.

Abt Urban bringt den ersten Karton aus seinem Hinterzimmer und entschuldigt sich, dass es schlichte Schachteln sind, in denen die Kreuze aufbewahrt werden. Bisher gab es keinerlei Anfragen aus der Öffentlichkeit, diese Kunstgegenstände zu besichtigen. Der Abt scheint fast überrascht über das Interesse der Stiftslehrer.

Koptisch, orthodox, barock – vielfältige Formen der Kreuzgestaltung

Er zeigt Kreuze aus dem 20. Jahrhundert. Fast alle sind Erbstücke früherer Äbte oder Geschenke von Bischöfen oder Gönnern. Ein schwarzes Kreuz fällt besonders auf. Es ist ein koptisches Abtkreuz, das der Abt auch gerne in der Öffentlichkeit trägt, weil es schlicht ist und weniger auffällt. Auch orthodoxe Einflüsse sind in manchen Kreuzen zu erkennen, die dann besonders bei orthodoxen Gästen in Einsiedeln gut ankommen, weil ihnen diese Kreuzform am vertrautesten ist. Ein modernes, schlichtes Silberkreuz trägt Abt Urban vor allem zu Begräbnissen, „weil es zum grauen Messgewand passt“, ein anderes zeigt eine klassische Hirtenfigur, die für Bischöfe und Äbte gleichermassen steht.  Der frühere Mitbruder und spätere Abt Benno Kardinal Gut liess zu seiner Zeit auch ein neues Set anfertigen: ein mittelgrosses Kreuz, blau in goldener Einfassung mit einem dazugehörigen mehr als opulenten Ring, der Abt Urban viel zu gross ist. „In der Osternacht muss ich jeweils aufpassen, dass er mir nicht runterfällt“, erzählt er schmunzelnd. Überhaupt seien einige Ringe sehr gross, vor allem die alten, da man früher beim Gottesdienst Handschuhe trug und die Ringe darüber passen mussten.

Die älteren Kreuze, vor allem jene aus dem Barock, sind grossteils opulent und reich geschmückt, zum Teil ganz aus Gold und mit farbigen Edelsteinen besetzt, die zum Teil an den liturgischen Farben orientiert sind: Grün steht traditionell für die Nicht-Feiertage, violett für Fastenzeit und Advent. Zwei Reliquienkreuze sind auch in der Sammlung enthalten: „Ex ossibus St. Meinradi“, „aus den Knochen des Hl. Meinrad“ – die Gravierung erinnert an die vor allem im Barock wichtige Reliquienverehrung.

Gibt es genaue Vorschriften, was er wann tragen muss? „Nein, die gibt es nicht“, erklärt Abt Urban. Er wählt einfach aus, was ihm gerade passend scheint, sei es, weil es an einen Feiertag erinnert (zB. Blau an Marienfesten, ein Kreuz mit Christuskorpus am Karfreitag), weil es farblich zum Messgewand passt oder schlicht, weil es in der Öffentlichkeit möglichst wenig Aufsehen erregt.

Als Hirte den Mönchen vorangehen

Manche Kreuze dürfen den Kanton auch nicht verlassen, weil sie so alt sind, dass sie als „Kulturgüter“ zum Kanton gehören und deshalb nicht ausgeführt werden dürfen. Doch auch darüber hinaus gilt: „Das gehört nicht mir“, so Abt Urban. Der Schmuck ist nicht sein Privateigentum, sondern gehört dem Kloster als Ganzes und wird von ihm als Abt getragen, weil er „als Hirte den Mönchen vorangeht“. Er trägt das Pectorale, weil mit dem Kreuz daran erinnert werden soll, worum es wirklich geht: um das Kreuz Christi, das für Leiden und Hoffnung steht.

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