Eine dreitägige Lateinexkursion nach Trier
Die Herbstferien nutzte eine gemischte Gruppe aus Lehrern und Stiftsschülern unter der Leitung von P. Mauritius, um die einstige Residenzstadt des römischen Reiches, Trier (lateinisch: Augusta Treverorum), zu erkunden. Anlass war die diesjährige Landesausstellung mit dem Titel «Der Untergang des römischen Reiches.» Neben dem Besuch dreier Museen und der Verkostung römischen Essens stand auch eine Toga-Stadtführung am Programm. Und soviel sei vorweggenommen: Die mittelgrosse deutsche Stadt überraschte positiv durch ihr wirklich reiches antikes Erbe und die freundlichen Einwohner, denen wir auf dieser Reise begegnen durften.
Genau genommen begann die Reise nicht erst am 13.Oktober, am Tag der Abfahrt, sondern schon mehrere Wochen vorher, denn zunächst galt es, vier Vorbereitungstreffen zu dieser Reise zu besuchen, immerhin setzt das Thema «Untergang des Römischen Reiches» doch auch einiges an historischem Wissen voraus. «Mittels Vorträgen von Herrn De Vecchi, Sarah Jaeggi (MJ 2021) und Pater Mauritius durften wir das Thema bereits vor der Reise aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Zur Sprache kamen dabei neben dem chronologischen Verlauf des Niedergangs auch die Architektur in der Kaiserzeit und die Stadtgeschichte Triers», berichtet Abaris Schild, Griechischschüler aus der 6.Klasse und ebenfalls Reiseteilnehmer. Diskutiert wurden auch die verschiedenen Theorien zum Ende der römischen Herrschaft. War es der dekadente Lebensstil der Römer, der die Götter erzürnte und schliesslich den Untergang brachte oder ganz traditionell erzählt der Einfall der Goten und Hunnen oder die klimatischen Veränderungen in der Spätantike, die ausschlaggebend waren?
Erste Begegnungen vor Ort
Die siebenstündige Bahnfahrt am 13. Oktober ging schliesslich reibungslos von statten, «entgegen unseren Erwartungen an die Deutsche Bahn», wie Emilia Langenauer aus der 4.Klasse ironisch anmerkt. Nach unserer Ankunft im Trierer Hauptbahnhof bezogen wir mithilfe Pfarrer Rupps, der seit Jugendzeiten jedes Jahr Einsiedeln besucht und uns vor Ort zu einigen Programmpunkten begleitete, auch schon die Unterkunft im St. Josefsstift, einem seit 1896 bestehenden Frauenkloster, in dem noch heute 14 Schwestern leben und das in der Altstadt Triers liegt, gleich neben dem Simeonsstift, das wir am folgenden Tag besuchen sollten.
Auf zur Togaführung
Doch zunächst stand die Stadterkundung am Programm und das gleich stilecht: Ein in Toga gekleideter Lateinlehrer aus Trier, Oliver Kugel, führte fachkundig durch die Strassen und Gassen der Stadt. «Unser Guide der Togaführung war wohl der aussergewöhnlichste all unserer Führer», erzählt Rhenia Unternährer, die gemeinsam mit ihren Freundinnen Naya und Ladina mitgereist ist und sich für die Reise angemeldet hat, «weil man einen neuen Ort kennenlernt, der Geschichte hat». Bekleidet mit einer Toga und Sandalen zeigte er uns Gebäude und Strassen, die einst zum alten Trier gehörten. Mit kleinen lateinischen Einwürfen hier und dort, hielt er uns auf Trapp. Wir starteten bei der Porta Nigra, die durch die jahrelangen Wettereinflüsse auf einer Seite ganz dunkel geworden war, und liefen der breiten Hauptstraße entlang. Hin und wieder hielten wir an und bewunderten ein altes Restaurant oder ein edles Familienhaus. Einen sehr imposanten Eindruck machte die Domkirche St. Peter, deren Bau begonnen wurde von Kaiser Konstantin dem Grossen um 310.» Auch die Basilika sollte in Konstantins Zeit durch ihre riesigen Fenster und die Erhöhung in der Apsis dem Besucher Macht demonstrieren. Die Halle wurde sogar beheizt, wodurch der Kaiser wie eine wärmespendende Sonnengottheit erschien. «Als wir in den Bänken der Basilika sassen und nach oben zur hohen Decke schauten, fühlten wir uns ganz klein und man spürte, wie die Gebäude und die ganze Stadt, ihren Reichtum zeigen wollten”, so Rhenia abschliessend.
Ein Tag im Museum
Der Nieselregen am nächsten Tag stimmte am nächsten Morgen auf das Programm des Freitags ein. Diesmal würden wir nicht outdoor unterwegs sein, sondern den Tag in zwei der drei Museen der Stadt verbringen, die alle zu der gemeinsamen Landesausstellung zum Ende des römischen Reiches gehören: Das städische Museum «Simeonsstift» mit einem Schwerpunkt auf der Rezeption der Antike, das grosse Landesmuseum mit wertvollen Exponaten aus der Spätantike, die aus ganz Europa speziell für diese Ausstellung zusammengetragen wurden sowie das auf die Kirchengeschichte spezialisierte Dommuseum gleich neben dem imposanten Trier Dom.
Die Farben des Untergangs
Die Ausstellung im Landesmuseum ist nach einem eigenen Farbkonzept gestaltet: “Auf die in hellen Farben gehaltenen Räume am Beginn der Ausstellung, die antike Kultur als Höhepunkt auswiesen, folgten die einzelnen Schritte des Untergangs: in schon etwas dunklerem Blau militärische Artefakte, gefolgt von Objekten aus dem Kulturraum der «Barbaren». «Orange- und (Blut)Rottöne illustrierten bereits in den nächsten Zimmern die furchtbaren Bürgerkriege, während ein dunkelblauer Gang, welcher anhand von Ausstellungsobjekten die Bürgerkriegsfolgen demonstrierte, uns zu einer Räumlichkeit gelangen liess, die den Verlust Roms damaliger Kornkammer, des afrikanischen Kontinents, eindrücklich darstellte. Neben der Farbe Schwarz markiert ein karger leerer Thron mit dem Namen des letzten Kaisers das Ende des ehemaligen Weltreichs», berichtet Cosima Hoppe, Latein- und Griechischschülerin aus der 4a, die in den Ferien etwas Neues über die Antike lernen, aber auch Zeit mit ihren mitreisenden Freundinnen verbringen wollte.
Inhaltlich beantwortete die Ausstellung im Landesmuseum die in den Vorbereitungstreffen aufgeworfenen Theorien zum Untergang übrigens recht offen, einander jeweils ergänzend und nicht ausschliessend als ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren.
Mythosbildung und Weiterwirken der Antike
Am Nachmittag folgte ein Blick auf die Wirkungsgeschichte des Römischen Reiches, die über die Jahrhunderte einerseits künstlerisch auf vielfältige Weise aufgegriffen wurde, aber auch politisch missbraucht wurde, etwa wenn im Faschismus ein neues «imperio» errichtet werden wollte und Rom in «neuer Grösse» wieder erstrahlen sollte. «Überraschend war, dass in dieser Ausstellung im Gegensatz zu den anderen Ausstellungen, die wir besichtigt haben, keine archäologischen Funde ausgestellt waren, sondern Kunstwerke wie Gemälde und Fotos», beobachtet Veronika Kralikova (4b), die gleich drei Freundinnen für diese Studienreise mitten in der Ferienzeit überreden konnte. «Jeder Exkursionsteilnehmende hat in diesem Museum auch ein Thema vorbereitet und dann darüber referiert», so Veronika weiter. Vorgestellt wurde etwa Vercingetorix, der für die französische Mythosbildung wichtig werden sollte, oder der Hl. Augustinus, der selbst am Ende der Antike gelebt hatte oder ein Ölgemälde, das die Eroberung Roms durch die Germanen eindrücklich darstellt. «Dieser Museumsbesuch hat uns allen bewusst gemacht, wie weit der Einfluss und das Ansehen vom Römischen Reich reicht», so Veronika weiter.
Die kontroverse Rolle des Christentums
Und welche Rolle spielte das Christentum für das Ende des Römischen Reiches? P. Mauritius ging (nicht nur) im Dommuseum Triers dieser Frage nach: «Schon in der Antike spielte das Christentum eine zentrale Rolle in der Diskussion um den Untergang des römischen Reiches. Konservative Römer vertraten die Meinung, dass die Ausbreitung des Christentums und die damit einhergehende Vernachlässigung der traditionellen römischen Religion der Grund für den Zusammenbruch des Reiches waren – sozusagen die Strafe der Götter für die Untreue der Römer. Der Besuch im diözesanen Dommuseum hat uns aber eine ganz andere Sicht auf das Christentum vermittelt: Als konstruktive Kraft in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen hat es wesentlich dazu beigetragen, die Welt neu zu ordnen, wie bereits der Titel der Ausstellung «Im Zeichen des Kreuzes – Eine Welt ordnet sich neu» andeutet.»
Kaiser Konstatin und Trier
Für Trier spielte dabei v.a. Kaiser Konstantin eine zentrale Rolle: «Kaiser Konstantin hatte 312 in der Schlacht an der Milvischen Brücke einen Sieg errungen, den er dem Beistand des Christengottes zuschrieb. Von da an förderte er das Christentum und veranlasste den Bau grosser Kirchen. So gehen die Grabeskirche in Jerusalem, die Geburtskirche in Bethlehem, die Lateranbasilika und Sankt Peter in Rom auf seine Initiative zurück. Auch seine Residenzstadt Trier vernachlässigte er nicht und liess einen Monumentalbau errichten – möglicherweise über der Villa seiner Mutter Helena. Jedenfalls wurden unter dem heutigen Dom die Deckengemälde eines vornehmen Hauses aus jener Zeit gefunden, die dank moderner Technik rekonstruiert werden konnten und nun ein eindrücklicher Teil der Ausstellung sind», so P. Mauritius, Initiant und Organisator der Reise.
Cucurbitas et carotae fricas oder perna cum caricis ?
Und was hat Trier kulinarisch zu bieten? Kulinarisch hat Trier auch einiges zu bieten, von Eiscafès zu Sushi und alles dazwischen», so Alina Iten, ebenfalls aus der 4a schmunzelnd. «Am zweiten Tag wurde eine kleine Zeitreise mit Gerichten aus einem echten römischen Kochbuch von Caelius Apicius unternommen. Zur Vorspeise gab es römische Tapas, bei denen aber die wirklich exotischen Sachen wie Papageienzungen oder Tauben vermisst wurden. Stattdessen gab es Getreide, Würstchen und sehr gute Weinbrötchen.» Als Hauptgericht wurde unter anderem Graupensuppe, Tisana, angeboten, oder auch Schinken mit Feigensauce, Perna cum caricis. «Das Karotten-Zucchinigericht, cucurbitas et carotae frictas, enthielt neben den Aprikosen aber ungewöhnlich viel Koriander.»
Was am Ende bleibt
Das Römische Reich, der Ruhm Triers und auch unsere bescheidene Reise nahmen schliesslich aber auch ein Ende. «Als der kaiserliche Hof Ende des 4. Jahrhunderts nach Mailand abzog, verlor Trier nach und nach an Bedeutung. Bestehen blieb jedoch die bischöfliche Verwaltung und so war es vor allem das Christentum, das zum Träger der römischen Kultur wurde. Römerstadt, Kaiserresidenz, Bischofssitz – die über über 2000-jährige Geschichte der Stadt Trier hat uns alle aber sehr beeindruckt», so P. Mauritius abschliessend.
Und die Rückreise? «Auf der Heimreise bestätigten sich unsere Vorurteile gegenüber der deutschen Bahn aber doch noch, als unser ICE von Mannheim nach Zürich ausfiel. Zu unserem Glück stand ein Ersatzzug bereit, mit dem wir ohne weitere Komplikationen und wohlbehalten in Zürich ankamen», so Emilia Langenauer heiter.
Noch Tage nach der Rückkehr sprachen die begeisterten Reiseteilnehmer über die neuen Erkenntnisse und auch über die schöne Gemeinschaft innerhalb der Reisegruppe sowie in der Unterkunft, mit Pfarrer Rupp und Oliver Kugel. Trier wird so zu einer bleibenden Erfahrung.
Cosima Hoppe, Emilia Langenauer, Veronika Kralikova, Naya Neff, Ladina Neff, Rhenia Unternährer, Abaris Schild, P. Mauritius, Maria Egartner, Francesco De Vecchi, Sarah Jaeggi
https://untergang-rom-ausstellung.de/