Capus` “Susanna” als Migrationsroman

von Roberto Panzera, 6c

Der Roman “Susanna” von Alex Capus behandelt in erster Linie die Migrationsgeschichte von zwei Basler Auswanderinnen in die USA im 19. Jahrhundert. Der Aspekt der Migration ist somit eines der zentralen Motive des Buches und bildet den Rahmen der Erzählung.

Massgebend für jede Migration sind sogenannte Push- und Pullfaktoren, die sich von den englischen Worten für “abstossen” und “anziehen” ableiten. In den Augen eines jeden Migranten muss die Migrationsdestination Vorteile gegenüber der aktuellen Wohnsituation bieten. Diese Entscheidung wird in “Susanna” von Maria Faesch getroffen, um einerseits der starren, protestantischen Gesellschaft Basels des 19. Jahrhunderts zu entkommen und um andererseits ihrer Liebe Karl Valentiny zu folgen. Die Basler lebten damals “wie vor hundert oder tausend Jahren, nichts schien sich jemals ändern zu wollen.” (S. 10). Wer dieser konservativen Stadt entfliehen wollte, dem blieb oftmals nichts anderes übrig, als auszuwandern. Die USA mit ihrem “amerikanischen Traum” standen für Freiheit und für einen Neuanfang. Maria Faesch folgt dieser Vorstellung, die sie dazu verleitet, ihr ruhiges und geordnetes Leben in Basel aufzugeben.

Karl Valentiny hingegen ist in seiner Wahl unfreier, da ihn “zu Hause das Erschiessungskommando erwartet.” (S. 106). Er ist für die angebliche Beteiligung an der Revolution schuldig gesprochen worden und für ihn ist die Heimkehr nach Deutschland nur noch eine Wunschvorstellung. An dieser Stelle konstruiert Capus den historischen Kontext des Revolutionsjahres 1848 um die Handlung herum und macht diesen zum determinierenden Grund für Valentinys Auswanderung. Er migriert ebenfalls nach Amerika, doch aus völlig anderen Beweggründen als Maria. Doch das Schicksal meint es gut mit ihm. Er kann eine Arztpraxis in Brooklyn gründen und hat somit für den Rest seines Lebens ausgesorgt. 
Wie es damals üblich war, bucht Valentiny die Überfahrt nicht selbst sondern über ein Reisebüro. Dies war damals die einzige Möglichkeit eine Schiffspassage zu erhalten. Die Schweiz als heutiges beliebtes Ziel für Einwanderer war damals eine Auswanderungsnation. Fakt ist, dass zwischen 1850 bis 1914 etwa 300’000 Schweizer ihrer Heimat den Rücken kehrten, um in der Ferne das Glück zu suchen. Die meisten migrierten aus Hunger und Armut und in der Hoffnung sich in Übersee eine bessere Existenz aufzubauen. Daran lässt sich erkennen, dass die Migrationsgründe von Maria Faesch und Karl Valentiny nicht üblich waren, sondern viel eher die Probleme einer kleineren Bevölkerungsgruppe widerspiegeln. Die Familie Faesch war nämlich “eine der reichsten und ältesten der Stadt” (S. 7). 

Die interkontinentale Migration stellt die frischgebackene Familie jedoch vor neue Herausforderungen. Der endlos scheinende Atlantik trennt sie nun von der Heimat. Die gewaltige Distanz führt früher oder später zum Abbruch sämtlicher Beziehungen: “Ein halbes Jahr lang war der Brief unterwegs gewesen.” (S. 112). So geschieht es auch mit Lukas Faesch: “Lukas Faesch schrieb ihr [Maria] noch ein paarmal zu Weihnachten […] und dann nicht mehr, und die Söhne liessen gar nie von sich hören.” (S. 134). Abgeschnitten von der Heimat und von einer völlig neuen Kultur umgeben, stellt sich unweigerlich die Frage der Integration. Dazu gehört auch die Adaption der neuen Sprache. Susanna, die noch als Kind in die USA kommt, lernt die Sprache schnell. “Nach wenigen Wochen sprach Susanna Englisch mit New Yorker Akzent, als hätte sie nie woanders gelebt.” (S. 132). Ihre Mutter Maria hat wesentlich grössere Schwierigkeiten, sich mit der amerikanischen Lebensweise anzufreunden, da sie bereits stärker durch die Basler Kultur geprägt ist.

Maria muss sich dem Identitätsdilemma der Migranten stellen. “Maria aber fühlte sich als Besucherin, auch im fünften und im zehnten Jahr noch; Immigrantin für den Rest ihres Lebens, niemals daheim und immer fremd.” (S. 133). Erst als Susanna ihren Sohn Christie amerikanisch erzieht, wagt sie den Schritt, die hiesige Bademode zu adaptieren. Dies steht sinnbildlich für den Beginn des Assimilationsprozesses, der die Anpassung und die Bereitschaft, die eigene Kultur und die Sprache aufzugeben, vonseiten der Einwanderer voraussetzt. Susanna schlägt gewissermassen die Brücke zur amerikanischen Kultur, auf welcher Christies Erziehung basiert. “Sie waren nun eine amerikanische Familie.” (S. 186)

Es zeigt sich also, dass der Roman “Susanna” das Phänomen der Migration anhand der Lebensgeschichten der Protagonisten ausleuchtet. Er thematisiert die Push- und Pullfaktoren, die die Figuren zur Auwanderung verleiten. Capus wählt hierfür nicht die klassischen Beweggründe, sondern lässt seine Figuren aus atypischen Gründen migrieren. Der Bruch mit dem Alten und Bekannten wird am Beispiel Lukas Faesch’ und der Söhne deutlich gemacht, aus dem die zwangsläufige Frage der Integration hervorgeht. Die drei Generationen der Auwanderer verdeutlichen den Prozess der Integration und der Assimilation und zeigen auf, mit welch grosse Schwierigkeiten Einwanderer zu kämpfen haben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Capus mit seinem Roman “Susanna” eine facettenreiche Migrationsgeschichte entworfen hat.

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