Die zwei Raben

eine Legende aus Einsiedeln, nacherzählt von Katharina Vogelgesang, 1a

Vor 1000 Jahren, im weit entfernten Mittelalter, lebte ein Mönch, dem etwas fehlte. Er hatte eine Sehnsucht nach Gott, der Einsamkeit und dem Frieden. Doch zunächst besuchte er eine Klosterschule auf der Insel Reichenau, schon bald ließ er sich aber auf dem heutigen Etzel nieder. 

Dort lebte er genau, wie es ihm entsprach: Meinrad hatte gerade genug, um zu überleben. Er konnte all sein Dasein, seine Zeit, seine Seele und sein Bewusstsein Gott, dem Beten und seinem Glauben schenken. Endlich war er zufrieden. Aber immer mehr Menschen hörten von seinem unfassbaren Glauben, und sie waren allesamt zutiefst beeindruckt von seinem bemerkenswerten Leben. 

Seine Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Es sprach sich herum, dass er ein kluger, gottesfürchtiger Mensch war, der guten Rat gab und am Etzel zu finden war. So kamen viele zu Meinrad, der in seiner einsamen Hütte saß und all ihre Fragen mit Geduld beantwortete. Doch so gern er den Menschen half, stahl es ihm doch die vom ihm so ersehnte Ruhe. Es plagte ihn die Sehnsucht nach stiller Zwiesprache mit Gott. Also beschloss der Einsiedler kurzerhand wegzuziehen. Ohne einer Menschenseele von seinem Plan zu erzählen, packte er seine 7 Sachen und schlich sich aus seiner letzten Heimat. Aber wohin? 

Er blickte in den Süden, und schlug sich bis zum finstersten, dunkelsten Waldteil durch. Meinrad fürchtete sich nicht, denn er spürte die Anwesenheit von Gott. Er marschierte durch den Wald und blieb ruckartig stehen, als er ein Krächzen hörte. Ein jaulendes, bemitleidenswertes Wimmern von oben. Er kletterte auf einen Baum, um nachzusehen, was der Grund für dieses Krächzen war. Es waren zwei hilflose Rabenküken, die auf dem obersten Ast sassen, und keine Rabenmutter in Sicht. Als Meinrad die beiden Geschöpfe sah, musste er sie einfach mitnehmen und ihnen helfen. 

Meinrad fand ein neues Zuhause inmitten von Bäumen und der Natur. Er liess sich dort nieder und lebte viele Jahre lang glücklich mit seinen Raben in Frieden und Stille. Manchmal, aber nicht so oft wie auf dem Etzel, kamen immer noch Leute zu ihm, Pilger oder Dorfbewohner, die ihm Nahrung brachten.

Eines Tages empfing er zwei Gäste, Richard und Peter. Meinrad selbst hatte ein ungutes Gefühl bei diesen Besuchern und die Raben waren ganz ausser sich. Aber der Einsiedler brachte die Vögel schnell zur Ruhe, legte sein Unbehagen beiseite und bereitete für die Gäste ein einfaches Mahl. 

Als die beiden Männer fertig gegessen hatten, griffen sie plötzlich den unschuldigen Mönch an. Ein harter, zielsicherer Schlag von einer Axt und Meinrad lag regungslos am Boden. Blut strömte in Bächen über sein friedliches Gesicht und hinterließ tiefrote Schlieren des Todes am Boden. Da wurde den beiden Gästen bewusst, was sie getan hatten, und sie flüchteten. „Wir müssen weg von hier, zum Zürichsee“, rief Richard. Darauf erwiderte Peter: „Am besten gleich nach Zürich!“ Sie machten sich sofort aus dem Staub und liessen den toten Mönch Meinrad zurück. 

Aber die beiden Mörder übersahen etwas – die Raben, die mit Meinrad gelebt hatten. Diese flogen ihnen nach. Als die Bösewichte in Zürich ankamen, flatterten die beiden Vögel, kreischten sie, umkreisten die Männer, pickten nach ihnen und machten so einen Radau, dass die Einwohner auf die seltsame Bande aufmerksam wurden. Schnell war eins und eins zusammengezählt und Richard und Peter wurden wegen ihres feigen Mordes hingerichtet.  

Meinrad hinterließ seine Spuren überall. In Zürich, wo die zwei Täter gefangen wurden, wurde das berühmte Gasthaus “Zwei Raben” eröffnet. Ein Strassburger namens Benno errichtete 40 Jahre später eine Kapelle, um Meinrad zu ehren. Sein Verwandter, Eberhardt, erweiterte Bennos Werk und gründete das Kloster Einsiedeln, welches an Meinrads Sterbeort errichtet wurde. 

Sogar ein Bischof kam von weit her nach Einsiedeln. Er nahm den beschwerlichen Weg auf sich, um die Kapelle im Namen Gottes einzuweihen. In der Nacht vor der Weihe begab sich Bischof Konrad in die kleine Kapelle, um dort zu beten. Da hatte er eine Vision: Er sah, wie Jesus Christus vom Himmel herabstieg. Er wurde begleitet von Engelscharen sowie vielen Heiligen. Die Mutter Maria erschien ebenfalls wie in Licht gehüllt. In der Vision weihte Jesus höchstpersönlich die Kapelle zu Ehren seiner Mutter Maria ein. Sie sollte in Einsiedeln ganz besonders verehrt werden und den Menschen den Weg zu ihrem Sohn weisen. Ein Engel sagte dem Bischof, dass er die Kapelle nun nicht mehr einweihen müsse, da sein Werk schon von Jesus Christus vollbracht worden sei.  

Dieser besondere Tag wird jährlich am 14. September als Engelweihe in Einsiedeln gefeiert.

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Tosca Spirig (1a) erzählt die Geschichte so:

Vor mehr als tausend Jahren lebte ein Mann namens Meinrad. Er war nicht so wie alle anderen, denn er hatte eine außerordentliche Bindung zu Gott. Und genau das macht diesen Mann zum Ursprung der Geschichte vom Kloster Einsiedeln.

Meinrad wuchs als friedlicher Benediktinermönch in der Klosterschule am Bodensee auf. Sein Abt schickte ihn aber früh als Lehrer in ein Kloster am Zürichsee. Wie gesagt, war Meinrad ein sehr besonderer Mensch, denn er wollte nicht in Gemeinschaft mit anderen Menschen sein Leben weiterführen. Er suchte sich in einer abgelegenen Gegend einen Unterschlupf in einer kleinen Hütte. Dort, auf dem Etzel, konnte er in Einsamkeit leben und tief im Herzen mit Gott verbunden sein. So lebte er schliesslich sieben Jahre lang an dem abgeschiedenen Ort. Bald hatte die Bevölkerung seine Weisheit entdeckt und alle wollten von ihm einen guten Rat auf den Weg mit bekommen. Das passte aber nicht zu einem ruhigen Dasein. So kam Meinrad zu dem Schluss, dass er sein Leben hier nicht mehr weiter verbringen konnte. Eines Tages also war es soweit und er begab sich wieder auf die Suche nach einem neuem Zuhause. Auf seinem weiten Weg durch Land und Wald, Berg auf und Berg ab, entdeckte er hoch oben in der Krone des Baumes ein Nest. Ohne seine Neugier in diesem Moment hätte er nie die zwei entzückenden, kleinen Raben im Nest gefunden. Er konnte nicht anders und nahm sie mit auf die Reise. Schliesslich liess er sich in einem finsteren Waldviertel mit seinen zwei Raben nieder. Wie erwartet traf er hier fast nie auf Menschen. Nur ab und zu kam es vor, das nette Gäste vorbeikamen und ihm sogar manchmal etwas Essen mitbrachten.

Eines Tages standen zwei Männer vor ihm und baten um Gastfreundschaft. Trotz des schlechten Bauchgefühls ließ er sie eintreten. Wenn er doch nur gewusst hätte, dass das seine letzte gute Tat war und er damit ein schlechter Entscheid getroffen hatte, wäre es nie zu diesem traurigen Schicksal gekommen! Denn als er den unsympathischen Fremden den Rücken zudrehte, nutzten sie die Chance. Trotz den energischen Schreien der beiden Raben war es schon zu spät. Mit viel Kraft und Bosheit schlugen die Räuber auf ihn ein und brachten ihn um. Die Diebe begehrten die Schätze Meinrads. Sie packten alle Wertstücke ein und suchten das Weite. Dass sie die zwei Raben vergessen hatten, war aber ein grosser Fehler. Diese nämlich folgten ihnen bis nach Zürich und machten auf sie aufmerksam. Die Leute waren nicht blind und bemerkten sofort, dass bei diesen Männern etwas faul war. Schlussendlich fand man heraus, dass diese Raben von Meinrad waren. In seiner Hütte im Waldesinneren fanden sie dann seine Leiche. Die Mörder wurden zu Tode verurteilt.

Der 21. Januar 861 ist der Todestag Meinrads. Das Kloster steht jetzt nach über tausend Jahren zur Ehre Meinrads hier in Einsiedeln an dem Ort, wo sich seine Klause befand. In Andenken an die zwei bedeutungsvollen Raben haben sie einen Platz auf den Wappen des Klosters und des Bezirkes Einsiedeln gefunden.

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Riccarda Rampini (1a) und ihre Version der Zwei Raben:

Vor etwa 1000 Jahren lebte ein Herr mit dem Namen Meinrad. Meinrad ging auf der Insel Reichenau auf die Klosterschule. Ihm gefiel es dort, nur hatte er einige Ideen, wie er anders, besser leben konnte, da er eine Sehnsucht nach Stille und Einsamkeit hatte.

So machte er sich auf den Weg, um einen Ort aufzusuchen, an dem er allein sein konnte. Dieser Ort ist heute bekannt als der Berg Etzel, aber damals hatte er noch keinen Namen. Dort oben baute er sich eine Hütte und er lebte sieben Jahre in Frieden. Aber in diesen sieben Jahren kamen immer mehr Leute zu ihm hoch, die neugierig waren, wie er lebte und die auch von seiner Klugheit gehört hatten. Weil Meinrad aber immer noch die Stille und Einsamkeit bevorzugte, beschloss er, weiterzuziehen. Als er gegen Süden schaute, erblickte er einen finsteren Wald. In diesen Wald beabsichtigte er hineinzugehen. Er erzählte keinem von seinem Vorhaben.

Auf dem Weg durch den finsteren Wald hörte er plötzlich ein leises Krächzen. Meinrad erschrak zuerst, aber dann siegte doch die Neugier über seine Angst und Meinrad schaute sich um. Meinrad glaubte, dass das Geräusch von der Tanne direkt über ihm stammte. Er legte seine Kutte ab und begann zu klettern. Es war ein schwieriges Unterfangen, aber es gelang Meinrad schliesslich zur Quelle des Krächzens zu gelangen. Wie er sehen konnte, handelte es sich um zwei kleine Raben. Meinrad wartete einige Minuten, mit dem Hintergedanken, dass die Mutter vielleicht zurückkommen würde, aber sie kam nicht. Weil sein Gewissen im verbot, die hilflosen Rabenküken allein zurückzulassen, nahm er sie mit.

Als die drei in der Mitte des Waldes ankamen, beschloss Meinrad, sich an diesem Platz niederzulassen. In den kommenden Jahren kamen zwar immer noch Leute zu ihm, aber lange nicht so viele. So lebte der heilige Meinrad in Frieden, bis zum 21. Januar 861. An diesem Tagen suchten ihn zwei Herren auf. Die beiden Raben mieden diese Herren und versuchten, den Heiligen zu warnen. Doch Meinrad war immer gastfreundlich gewesen und hatte seinen Besuchern stets etwas zu essen angeboten. So hörte er nicht auf seine treuen Gefährten und sollte es bitter bereuen. Die beiden Besucher, Richard und Peter kamen nämlich nicht in guter Absicht. Als der Heilige den beiden kurz den Rücken zudrehte, zückte Richard eine grosse Keule und erschlug den Heiligen. Entsetzt über ihre Tat flohen Richard und Peter nach Zürich und versuchten unterzutauchen. Aber sie rechneten nicht mit den beiden Raben, die ihrem Herrn bis über den Tod treu blieben. Die Raben verfolgten die Täter und liessen sie nicht aus den Augen. In der Stadt Zürich sah man das seltsame Viererpaar. Da erinnerte man sich daran, dass der heilige Meinrad doch zwei solche Raben hatte. Man machte sich auf die beschwerliche Reise in den finsteren Wald und sah des Heiligen Tod. Man begriff, dass diese beiden Männer die Mörder sein müssten. So wurden Richard und Peter hingerichtet und der heilige Meinrad wurde auf der Insel Reichenau begraben. Als Dank an die zwei Raben zieren sie nun die Flagge Einsiedelns.

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