Gehen wir feiern?

Ein Essay von Tara Zehnder (6a)

„Gehen wir feiern?“ Eine Frage, die meine Zeitgenossen so gerne hören. Ich eigentlich auch. Wobei das Wort für mich früher eine positivere Bedeutung geniessen durfte. Man feierte einen Geburtstag oder Weihnachten mit Kuchen im Trampolino. Heute allerdings, bedeutet „feiern“ für mich, sich schminken, teuren Eintritt zahlen, übertrieben glücklich tun, sich mit betrunkenen Personen umgeben und minütlich eine Rauchwolke einatmen. Am nächsten Tag ist man müde, alles stinkt nach Rauch, das eine Ohr ist noch gedämpft und das Portemonnaie leer. Offiziell bedeutet Feiern, „festlich und lustig beisammen sein“, allerdings scheint es mir heute ein grundloses „Party machen“ mit vielen negativen Aspekten zu sein.

Man sagt mir, ich hätte eine depressive Ansicht gegenüber Geburtstagen. Feiert man ein Jubiläum oder Weihnachten, bin ich immer sehr gerne dabei. Geburtstage hingegen kann ich aus mysteriösen, aber für mich doch verständlichen Gründen nicht ausstehen. Weder meinen eigenen, noch den von guten Freunden. Man feiert an Geburtstagen jährlich, dass man noch ein Jahr geschafft hat. Erreicht haben muss man in dem Jahr nichts. Der Geburtstag ist nur dafür da, dass einige Mitmenschen die Existenz eines anderen Mitmenschen schätzen können. Würde die Person, die Geburtstag hat, allerdings nicht existieren, würden sie dies ja nicht wissen und deswegen nicht trauriger sein bzw. weniger glücklich. An Geburtstagen wird man im Vergleich zu sonstigen Tagen auch ständig so künstlich nett behandelt, obwohl man weiss, dass es am Folgetag nicht mehr der Fall sein wird. Wieso nicht immer so hilfsbereit und freundlich sein?

Ich bin dafür, dass man Errungenschaften feiert. Man würde sich damit auch über reale Dinge freuen und das Feiern hätte einen Grund und eine Bedeutung. So wie es jetzt aussieht, muss man sogar das Ende der Woche feiern. Das ist vergleichsweise ja mal viel depressiver. Manche müssen das Wochenende feiern. Diese Leute müssen einen schrecklichen Alltag haben. Lieber vertrete ich eine unbeliebte Meinung als meinen Alltag nicht ausstehen zu können und Königin der Partyszene zu sein. Schliesslich ist der Alltag 24/5.

Geht man an einem Abend an eine Party, hat man plötzlich unzählige Freunde. Mit dem einen Mädchen aus der Primarschule hat man eingewilligt, nächsten Sommer durch Nepal zu trekken, während man mit Unbekannten eine WG fürs Studium plant und sich ab jetzt immer am Dienstag Nachmittag um 15h zum Yoga mit der Freundin eines Freundes treffen will. Am nächsten Tag ist klar, dass man diese Leute drei Monate lang nicht mehr sehen wird und sie dabei auch nichts auf Geringste vermisst. Drei Monate später trifft man sie wieder und drückt aus, wie sehr sie einem gefehlt haben. Das kennt doch jeder. Alle machen sich dann über diese bodenlosen Freundschaften lustig, aber alle stiften sie gleich auch.

Das Prinzip des Feierns ist eigentlich ein tolle Sache. Es macht Spass, man trifft neue Leute und die Erinnerungen bleiben. Jede Woche mit „Ja sicher!“ auf die „Gehen wir feiern“-Frage  zu antworten, halte ich aber für keine gute Idee. Am besten ist, man hat ein paar enge langfristige Freunde, mit denen man sich sowohl im Club als auch zuhause trifft und entscheidet sich dann für eine Abwechslung mit anderen Leuten in einem Lokal. Die bodenlosen Freundschaften kann man sich teilweise aber auch einfach sparen.

Ein Gedanke zu „Gehen wir feiern?

  • November 25, 2018 um 15:20
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    Ein guter Essay mit tollen Argumenten:)
    Wenn ich eine kleine Kritik anbringen darf; ich glaube du meinest vielleicht eher “deprimiert” und nicht unbedingt “depressiv”.

    Antwort

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