Plastik, dein Feind und Helfer

Plastik – Ein Wundermaterial. Es gibt wohl nichts, was man aus Plastik nicht herstellen könnte. Jahrzehntelang wurde es bedenkenlos hergestellt, jetzt wächst der Zweifel am Kunststoff. Eine Suche nach Alternativen.

 

Es gab eine Zeit, da lebten Dinosaurier auf unserer Welt.

Es gab eine Zeit, da bekriegten sich Deutschland und Frankreich.

Es gab eine Zeit, da wurde Zahnpasta mit radioaktiver Strahlung als „Wunderheilmittel“ angepriesen.

Es gab eine Zeit, da griff man im Supermarkt ohne Bedenken zur Plastiktüte.

 

Sie sehen: Die Zeiten, in denen man in Plastik nur Freund und Helfer sah, sind, auch wenn noch nicht lange, definitiv vorbei. Ein Besuch in Coop oder Migros reicht schon. Die neuen Plastiksäcklein (auch wenn sie nur fünf Rappen kosten), regen zum Überdenken des masslosen Plastikkonsums an; wenn alles gut läuft, sind sie sogar der Anfang des Endes.

Ein Ende wäre wahrhaftig nötig; auf den Weltmeeren bilden sich ganze Inseln aus Müll, jeden Tag sterben durchschnittlich fast 3000 Vögel wegen Plastik. Da sagt man sich natürlich „Ich werf’ doch keinen Müll ins Meer!“, was zwar auch stimmen mag, doch über Flüsse und den Wind kann auch die Snickers-Verpackung, die einem vorher bewusst unbewusst aus der Tasche gefallen ist unter Umständen irgendwann im Magen eines Delfins landen. Ausserdem gelangen bei jedem Waschgang bis zu 2000 Kunstfasern von Kleidungsstücken ins Abwasser und schlussendlich ins Meer, denn die Fasern sind so klein, dass sie von der Kläranlage nicht aufgehalten werden. Schon heute treiben im Meer Inseln aus Plastik, sogenannte „Plastic-Islands“, die grösser sind als ganz Europa. Ausserdem kann man die Kunststoff-Herstellung aus Rohöl auch nicht gerade als umweltfreundlich bezeichnen.

Ob da fünf Rappen für ein Plastiksäcklein reichen? Schlaumeier nehmen sich die Säcklein nun einfach schon bei der Gemüseabteilung und füllen ihren Einkauf bei der Kasse darin ab. Und auch wenn Coop & Co. die Plastiksäcklein ganz verbannen würden, wären da noch all die anderen Produkte, die meistens zwei- bis dreimal verpackt sind.

Ein Besuch an der Schiffbaustrasse 9b in Zürich nahe der Hardbrücke reicht, um zu zeigen, dass es auch anders geht. Man wird dort erwartet von einem Geschäft mit violetter Fassade und frischen Kräutern vor der Tür – und das mitten im grösstenteils zubetonierten Zürich. Auch im Geschäft selber stauntman nicht schlecht: Die Wände sind pink und schwarz, selbstgemachte Holzmöbel machen den Eindruck eines innovativen neuen Geschäftes perfekt. Mehrere Tische sind vollgestellt mit grossen Glasbehältern, in denen man fast alles – von Gewürzen über Schokolade und Gummibärchen bis hin zu getrockneten Beeren – findet. An einer Wand sind unzählige Behälter befestigt, die mit Teigwaren, Linsen und Getreide gefüllt sind. Das einzige, was das „Foifi“, wie sich das Geschäft nennt, von anderen Supermärkten unterscheidet ist nicht, was verkauft wird, sondern wie die Waren verkauft werden – unverpackt nämlich.

„Vor zwei, drei Jahren ist mir dann wirklich aufgefallen, wie viele Verpackungen es eigentlich gibt, wie alles ganz, ganz schlimm verpackt ist. Und dann habe ich eben gedacht: Ah, das muss doch irgendwie anders gehen, sagt Tara Welschinger, die Geschäftsführerin und Gründerin des „Foifi“. Also stellte sie ihr gesamtes Leben auf ZeroWaste um und gründete kurzerhand ein eigenes Geschäft.

Die ZeroWaste-Bewegung kommt aus Amerika und hat zum Ziel, möglichst keine Verpackungen mehr zu verbrauchen. Einfach ist das, zumindest in herkömmlichen Supermärkten, nicht. Eine Alternative sind regionale Bäckereien, Molkereien oder Metzgereien. Da kann man die Ware oft in selber mitgebrachte Behälter abfüllen. Auch beim „Foifi“ funktioniert es gleich. Man nimmt Gläser, Stoffbeutel oder Tupperwares (auch Plastiksäcklein sind übrigens nicht verboten) mit und füllt die Produkte darin ab. Wer keine ‚Ausrüstung’ hat, kann diese auch direkt im Laden kaufen.

Es gibt aber auch eine andere Richtung: Plastik-Recycling. Das Richtige für all die, die sich einfach nicht von diesem superpraktischen Begleiter trennen können. In Einsiedeln gibt es laut sammelsack.ch gleich sechs Annahme-, respektive Verkaufsstellen von sogenannten „All-In-One“-Sammelsäcken. Zum Vergleich: In der Stadt Zürich gibt es keine einzige. Das Prinzip hinter diesen Sammelsäcken ist ziemlich einfach: Anstatt in den Kehrichtabfall werden alle Kunststoffe in einem separaten Sack, eben dem „All-In-One“, gesammelt. Diesen kann man dann an einer Annahmestelle zurückgeben. Der Plastik wird recycelt und bildet die Grundlage für neue Produkte. Mit einem Kilogramm Recycling-Plastik werden so bis zu drei Liter Rohöl und mit einem gefüllten 60-Liter-Sammelsack fünf Kilogramm CO2 gespart.

So perfekt das ganze klingt: Es ist nur eine Linderung des Problems. Wer das Problem gar nicht erst entstehen lassen will, hat wohl keinen anderen Ausweg, als auf vollkommen verpackungslose Läden umzusteigen. Diese werden immer mehr. Nebst Zürich sind auch schon Luzern und einige Orte der Romandie mit ZeroWaste-Geschäften bedient. Der Umstieg auf ZeroWaste muss aber nicht ausschliesslich ethische und umwelttechnische Gründe haben: ZeroWaste hat auch andere Vorteile. Unverpackte Produkte schmecken vielmals frischer und feiner als Eingeschweisste, oder, wie es Tara Welschinger, die Gründerin des „Foifi“ sagt: „Du wirst den Unterschied wahrscheinlich schmecken, wenn du zum Beispiel Käse aus einer Plastikverpackung hast oder wenn du frischen Käse bei der Molkerei geholt hast, das ist ein riiiiiiiiesen Unterschied, oder, riiiiiiiiiiiiiiiesig!“. Und vor allem kann man in Zerowaste-Geschäften wirklich so viel kaufen, wie man auch braucht. 375 Gramm Mehl oder 70 Gramm Schokolade sind also endlich möglich.

Gut denkbar, dass man sich in 50 Jahren sagen wird: „Es gab eine Zeit, da wurden alle möglichen Produkte zwei- oder dreifach eingepackt. Es gab eine Zeit, da musste man 500 Gramm Mehl kaufen, auch wenn man nur 100 brauchte.“ Man wird das so erzählen, wie wir heute von radioaktiver Zahnpasta erzählen. Ist also nicht langsam die Zeit gekommen, wirklich etwas zu ändern?

Valentin Müller, 2a (Illustration: Lorena Müller)

 

Bilder: Aus dem “Foifi” in Zürich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Gedanke zu „Plastik, dein Feind und Helfer

  • Juni 2, 2018 um 16:41
    Permalink

    Lieber Valentin

    Du hast da einen sehr anschaulichen, unterhaltenden wie motivierenden Beitrag zur Verminderung von Plastikabfall geschrieben. Bravo !

    Diese Woche hat die EU neue Massnahmen zur Verminderung von Plastikabfällen angekündigt:
    https://www.srf.ch/news/international/verbot-von-einwegartikeln-eu-kommission-will-gegen-plastikmuell-vorgehen

    Und um deiner rhetorischen Schlussfrage noch etwas Nachdruck zu verleihen: Es ist höchste Zeit mit den Konsummustern und Angewohnheiten der letzten Jahrzehnten zu brechen. In meiner Elterngeneration war es üblich, ausgerüstet mit Stofftasche oder Rucksack den Dorfladen aufzusuchen. Und eigenes produziertes Gemüse (mit Komposthaltung und Regentonne) braucht zwar etwas Zeit* bringt aber auch das frischeste Gemüse, kein Verpackungsmaterial und hoffentlich damit verbundene Freude ! 🙂

    *Die Arbeitszeit (Vollerwerb) betrug 1850: 4’500 Stunden, 1950: 2’250 Stunden und 2007: 1’900 Stunden. Und die Arbeitszeit wird mit der 2. Phase der Digitalisierung (Industrie 4.0) mit grosser Wahrscheinlichkeit sich nochmals stark verkürzen.

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