Schönheit ist eine Wunde

Benedikt Aegerter

Der Erfolg seines 2015 erschienen Romans „Der Tigermann“ bewegte den Unionsverlag, seinen 2002 publiziertes Debut erstmals ins Deutsche zu übersetzen.

Eki Kurniawan, einer der wichtigsten indonesischen Gegenwartsautoren, schildert hier mit grosser Eloquenz ein Indonesien, das wenig mit unserem Bild vom Urlaubsparadies Bali zu tun hat. In Halimunda, einem fiktiven Ort, der jedoch auf der realen Kleinstadt basiert, in der Kurniawan aufgewachsen ist, ist Inzest so alltäglich wie der Regen und Vergewaltigung ein noch grösseres Übel als die allgegenwärtige Malaria.

Zentrum des Buches ist Dewi Ayu, Prostituierte und angesehenste Bürgerin von Halimunda, und ihre vier Töchter. Das könnte für Indonesien mit seinen vier Hauptinseln Java, Sumatra, Borneo und Guinea stehen, doch es spricht für den Autor, dass man als Leser mehr daran interessiert ist, was die Figuren tun, als wofür sie stehen. Auf jeden Fall ist Dewi Ayus Geschichte auch die Indonesiens.

Als Kind einer Halb-Indonesierin und eines Holländers (die Halb-Geschwister waren) geboren, wächst sie bei ihren Grosseltern auf, bis die Japaner im zweiten Weltkrieg das Land besetzen und sie in ein Gefangenenlager eingewiesen wird. Später wird sie zwangsweise Prostituierte, ein Beruf den sie bis zu ihrem Tod im Alter von 52 Jahren ausübt.

Der Roman ist von dem Geist der beiden grossen literarischen Traditionen Indonesiens beseelt: Sowohl das Wayang-Schattentheater als auch die grossen Heldenepen wie das Mahabharata werden von Kurniawan kunstvoll ironisch verfärbt. Der Bandit des Wayang-Theaters entpuppt sich als Prinz, der auf der Suche nach einer legendären Prinzessin, durch das Land reist und am Ende (natürlich) in den Armen Dewi Ayus landet, während sich der Krieger in Wahrheit als nichts anderes als ein streitsüchtiger Pantoffelheld erweist.

 

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