50 Jahre Frauenstimmrecht – sind dies auch 50 Jahre Gleichberechtigung?

von Samuel Tanner, 6a

Im Jahr 1971 stimmten die Schweizer Männer, mittels Volksabstimmung, ab, ob die Frauen ein Mitspracherecht in der Politik erhalten sollen. Die Abstimmung wurde knapp angenommen und die  Schweiz ermöglichte es Frauen somit, als eines der letzten Länder Europas, zum ersten Mal seit Gründung der Eidgenossenschaft im Jahr 1291 ein Mitspracherecht in der Politik zu erhalten sowie die Möglichkeit zu haben, für Sitze im nationalen, kantonalen oder kommunalen Parlament kandidieren zu können. Die Abstimmung fiel aus heutiger Sicht erstaunlicherweise sehr knapp aus und wird nichtsdestotrotz oft als grösster Schritt zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau anerkannt. Doch sind die letzen 50 Jahre seit Einführung des Frauenstimmrechts wirklich 50 Jahre Gleichberechtigung?

Wie weit geht das Umdenken?

Mit der Einführung des Frauenstimmrechts fand in der Schweizer Gesellschaft gezwungenermassen ein Umdenken statt. Während bis 1971 Frauen in der Regel «Hausfrauen» waren, wurde ihnen mit dem Schritt in die Politik auch der Schritt in die Arbeitswelt ermöglicht. Es war nicht mehr ganz so selbstverständlich, dass die Frau die Hausarbeiten erledigt und sich um die Kinder kümmert, während der Mann arbeiten geht und sich mit der Politik befasst. Dieses Umdenken, hauptsächlich in der männlichen Gesellschaft, ist aber noch lange nicht bei allen angekommen und aus den Augen vieler Frauen, und jeh länger desto mehr auch Männern, reicht das Mitspracherecht in der Politik bei Weitem nicht aus, um als gleichberechtigt angesehen zu werden.

Kritische, primär männliche und bürgerliche Stimmen äussern sich hierbei mit der Aussage dazu, dass Frauen das Stimmrecht mittlerweile als zu selbstverständlich ansehen würden und sie ein wenig mehr Dankbarkeit zeigen sollen, denn schliesslich hätten es ihnen die Männer ja ermöglicht besagtes, politisches Mitspracherecht zu bekommen. Und zudem sei die Einführung des Frauenstimmrechts der Beweis für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.
Diese Aussage stimmt zwar insofern, dass es tatsächlich die Männer waren, die den Frauen das Stimmrecht mittels Volksabstimmung ermöglicht haben. Dass es zahlreiche Studien, Fakten, Beweise und Aussagen gibt, die aufzeigen, dass Mann und Frau noch lange nicht gleichberechtigt sind, ist für besagte Stimmen meist von nebensächlicher Bedeutung.

Wie sähe die Schweiz aus, wenn nur die Frauen abstimmen könnten?

In der Arbeitswelt zeigt sich diese Ungleichheit zwischen Mann und Frau zum Beispiel durch den sogenannte «Gender-Pay-Gap». Der Gender-Pay-Gap beschreibt die unterschiedliche finanzielle Entschädigung zwischen Mann und Frau, wobei der Mann für die gleiche Arbeit im Durchschnitt einen höheren Lohn bekommt als die Frau. Ein anderes Beispiel für diese Ungleichheit wäre das umstrittene Thema des Vaterschaftsurlaubes. Zwar wurde letztes Jahr mittels Volksabstimmung eine nationale Mindestgrenze von zwei Wochen Vaterschaftsurlaub genehmigt, jedoch ermöglicht dies Frauen noch immer nicht arbeiten zu können. Denn wenn ein Ehepaar ein Kind möchte, muss die Frau, falls der Mann nicht teilzeit arbeiten kann, auf einige Jahre in der Berufswelt verzichten. Laut einem Artikel der «Republik» von vergangener Woche sind es die Männer, die hier im Weg zu einer guten und gemeinsamen Lösung stehen. Der Artikel der «Republik» spielt mit dem Gedankenspiel, wie die Schweiz aussähe, wenn nur Frauen abstimmen könnten. Nebst strengeren Regulationen für Tierversuche und mehr Umwelt- und Naturschutz gäbe es in der Schweiz, ohne männliche Stimmbeteiligte, bereits kantonal finanzierte Kinderkrippen. Diese Kinderkrippen würden es den Frauen ermöglichen, eine weniger lange Auszeit nehmen zu müssen und schneller in die Berufswelt zurückkehren zu können. Doch dieses Gedankenspiel ist im Moment noch eine Utopie.

Gleichberechtigung fängt für viele Frauen in der Politik an und das nicht ohne Grund. Doch auch in der Politik sind Schweizerinnen noch nicht gleichberechtigt. Dies zeigt sich unteranderem durch eine neue Statistik der JUSO des Kanton Zürichs. Diese Statistik zeigt auf, dass im Kantonsrat Zürich die durchschnittliche Redezeit von Frauen um ein Vielfaches unter der durchschnittlichen Redezeit von Männern liegt. Nicola Sigrist, JUSO Vizepräsident und Kantonsratsmitglied für die SP, hat sich dazu im persönlichen Gespräch mit der Aussage, dass diese Statistik vor allem an den bürgerlichen Parteien läge, geäussert. Diese Aussage wird ebenfalls durch den oben erwähnten Artikel der «Republik» gestärkt. Die «Republik» zeigt in ihrem Artikel eine ganz klare links-grün Tendenz auf.

Obwohl die Schweiz mit der Einführung des Frauenstimmrechts einen grossen, ersten Schritt in Richtung Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gemacht hat, sind Frauen in der Schweiz noch lange nicht gleichberechtigt. Sei dies in der Politik, in der Wirtschaft oder einfach zu Hause. Um dem entgegenzuwirken werde ich als Teil des «Unterstützungskollektivs für den feministischen Streik» am 14.Juni 2021 am Frauen*streik teilnehmen in der Hoffnung meinen Kindern ein Leben voller Gleichberechtigung ermöglichen zu können.

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