“Die Mohrin” von Lukas Hartmann

Ein Roman, der in Zusammenhang mit der aktuellen Rassismus-Debatte vielleicht wieder neu entdeckt werden könnte, ist Lukas Hartmanns “Die Mohrin”. Eine Interpretation hinsichtlich der Figur des Vikars von Emilia Langenauer (2a)

Der Vikar

Der Vikar ist eine der wichtigsten Figuren in Lukas Hartmanns Roman „Die Mohrin“. Nicht nur hilft er Marguerite und Louis bei der Flucht, er begleitet sie sogar. Auch spielt er eine grosse Rolle für Louis, da er ihm das Lesen und Schreiben beibringt und ihn unterstützt, als er in der Schule wegen seiner „pissgelben“ Hautfarbe gehänselt wird. (S.139/145) Bedeutend ist der Vikar zudem, da er Louis verrät, wer sein Vater ist.

Niklaus Müller, vor allem „der Vikar“ genannt, wird als „lang und dürr, wie eine Bohnenstange“ mit „pockennarbigem Gesicht und dünnem, rötlichen Haar“ beschrieben. (S. 52) Zu seinem Aussehen sagt er selbst, dass er in der Schule wegen seinen Pockennarben verlacht worden sei, aber noch mehr wegen seinen Haaren, obwohl diese doch eher blond als rot seien. (S. 146)

Der Vikar verrät im Zuge seines Gesprächs mit Louis über Hänseleien in der Schule, dass Franz Xaver von Wyssenbach Louis Vater ist, was eine Art von Wendepunkt in der Geschichte ist, da Louis ab diesem Zeitpunkt viel mehr über seine Identität und fehlende Vaterfigur nachdenkt und flüchten will.

Nach dieser Offenbarung geht auch die Planung zur Flucht viel schneller voran, die ohne den Vikar vermutlich nie stattgefunden hätte, da Marguerite durch ihre Arbeit im Bedli zwar etwas Geld verdienen konnte, der Vikar aber gültige Papiere und Passierscheine verschaffte.

Es ist unklar, warum der Vikar Louis und seiner Mutter hilft, jedoch gibt es zwei plausible Gründe: Entweder aus seiner (unerwiderten) Liebe zu Marguerite oder aufgrund seiner Meinung zum Sklavenhandel, mit der er seiner Zeit weit voraus ist. Er beteuert immer wieder, dass die dunkle Hautfarbe weder eine Strafe Gottes noch ein Zeichen der Minderwertigkeit oder Unterentwicklung ist und verteidigt Louis und Marguerite Phillip gegenüber.

Als der Vikar nach wochenlanger Planung und etlichen heimlichen Besuchen auf der Residenz der Wyssenbachs schliesslich das vereinbarte Zeichen zur Flucht nach London gibt, brechen die drei ängstlich, aber auch voller Hoffnung und gedämpfter Vorfreude auf. Während der Reise versucht der Vikar immer wieder sich Marguerite anzunähern, was in einer etwas unangenehmen Stimmung endet. Als die Kutsche, mit der sie reisen, angegriffen wird, versucht der Vikar sich, Marguerite und Louis bis zum letzten Moment zu verteidigen, zuerst mit Worten, indem er versucht alle Beschuldigungen abzustreiten, schlussendlich sogar mit einer Pistole. Jedoch wird nicht einer der Entführer angeschossen und verletzt zurückgelassen, sondern der Vikar selbst.

Dies ist die letzte Erinnerung an den Vikar, die Louis hat, später erfährt der Leser jedoch, dass andere Reisende den Vikar ins Hospital zu Dôle brachten, um einem Wundbrand vorzubeugen.

Wichtiger ist jedoch, dass Louis durch das Verschwinden des Vikars eine seiner ohnehin schon wenigen Vertrauenspersonen verloren hat. Da der Vikar auch später nicht mehr auftaucht und seine Stelle neu besetzt wird, ist Louis nach dem Tod seiner Mutter vollkommen alleine, denn auch die neue Haushaltshilfe behandelt ihn wie Abschaum.

Abschliessend kann man sagen, dass ohne den Vikar und seiner Liebe zu Marguerite vieles anders gekommen wäre, und dass er, auch wenn er nie den Mut hatte, sich öffentlich zu seinen Meinungen zu bekennen, definitiv eine der Personen ist, die am wenigsten Vorurteile gegen Louis und seine Mutter hat und immer freundlich zu ihnen ist. Der Vikar ist für Louis wichtig, da er ihn immer bestärkt und ihm das Lesen und Schreiben beibringt, was auch ein Grund ist, weshalb Johann Farner Louis/Samuel am Ende bei sich aufnimmt.

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