Die Schulseelsorge an der Stiftsschule Einsiedeln

von Olivia Lüond und Silje Hartvigsen, 1d

Wir haben P. Thomas Fässler interviewt. Er ist 36 Jahre alt, ist bald seit 15 Jahren im Kloster und unterrichtet an der Schule. Er ist zwischen 1997 und 2003 selbst hier an die Schule gegangen und ist in der Schulseelsorge tätig.

Wie sind Sie Mönch geworden?

In der Zeit, als ich hier gewesen bin, da war ich zwischen 13 und 18 Jahre alt, überlegte man sich natürlich, was man später einmal in meinem Leben machen will.  Meistens hat man zwei Lebenswege vor sich. Der eine Weg wäre eine Familie zu gründen und sich in seinem Beruf zu verwirklichen oder ganz in seinem Beruf aufzugehen. Meistens sind es einfach diese zwei Wege, die man vor Augen hat, die werden einem vorgelebt. Als ich hier an der Schule war, habe ich noch einen dritten Weg gesehen. Diesen Weg, den ich am Ende auch gegangen bin. Im Kloster waren viele Mönche auch als Lehrer tätig und so entschloss ich mich, Lehrer zu werden. Dann stellte ich mir die erste Frage: Was machen die Mönche eigentlich neben dem Beruf? Nach der Antwort wollte ich wissen: Weshalb leben sie so? Und zu guter Letzt packte mich die Neugierde und ich stellte mir die Frage: Wäre dieses Leben auch etwas für mich? Ich musste feststellen, dass sie eigentlich ganz normale Mannen sind und auch sie haben die Möglichkeit sich zu entfalten. Ich stelle mir oft selber Fragen wie zum Beispiel: Wenn ich dann einmal 90 Jahre alt bin und im Sterbebett liege und zurückschaue, habe ich dann das Leben gelebt, so wie ich es mir vorgestellt hatte? Und von einer Frage zur nächsten: Was ist denn ein sinnvolles Leben? Beinhaltet es etwas zu machen, das ich zurückblickend als gläubiger Mensch gutheisse und als gläubiger Mensch bin ich fest davon überzeugt, dass wir alle zu Gott gehen werden. Von Gott, der mich erschaffen hat.

“Wenn ich dann einmal 90 Jahre alt bin und im Sterbebett liege und zurückschaue, habe ich dann das Leben gelebt, so wie ich es mir vorgestellt hatte?”

Wie lebt es sich im Kloster? Ist irgendetwas speziell?

Speziell ist sicher, dass wir einen rhythmisierten Alltag haben. Das bedeutet, bei uns ist vorgegeben wann wir aufstehen, wann das erste Gebet stattfindet, wann die anderen Gebete sind und wann wir essen. Es ist nicht so, dass ich jeden Morgen aufstehe und mich frage – wann soll ich was machen. Es ist wie ein Rad in der Mühle, das sich immer gleichmässig dreht. Für einige scheint es langweilig zu sein, jeden Tag das gleiche zu tun. Für die anderen ist es zugleich etwas Beruhigendes. Nicht immer überlegen zu müssen, wann man was machen soll und wenn, dann wirklich oder doch nicht?

Haben Sie auch Ferien?

Ja, wir haben zwei Wochen Ferien im Jahr. Die können wir dann individuell gestalten. Wir können zu den Eltern nach Hause fahren, wenn man noch welche hat. Man kann mit Kollegen etwas machen oder man hat die Möglichkeit in ein anderes Koster zu gehen. Und es gibt auch die Möglichkeit zwischendurch raus zu gehen um Ski zu fahren.

“Es gibt auch die Möglichkeit zwischendurch raus zu gehen, um Ski zu fahren.”

Welche drei Wörter passen zu ihnen?

Drei Wörter die zu mir passen: Mönch, Lehrer und Schulseelsorger.

 Was für Klassen unterrichten Sie?

Ich unterrichte vor allem in den oberen Klassen, also ich hatte im ersten Semester noch eine dritte Klasse in Religion aber Religion hat man dann nur im ersten Semester. Das heisst, jetzt habe ich keine unteren Klassen mehr, sondern nur noch vierte, fünfte und sechste Klassen.

Essen Sie auch in der Mensa zu Mittag?

Nein, wir essen mit den Mönchen. Das gemeinsame Essen ist wichtig für eine Gemeinschaft. Deshalb ist es in Familien auch so wichtig, dass man nicht einfach zum Kühlschrank geht, etwas rausnimmt um dann wieder im Zimmer zu verschwinden. Gemeinsames Essen ist ein Ausdruck von gemeinsamen zusammenleben und deswegen ist es gut, dass wir Mönche mit unseren Mitbrüdern essen.

“Das gemeinsame Essen ist wichtig für eine Gemeinschaft.”

Was macht die Schulseelsorge?

Diese Frage gebe ich doch gerne zurück. Wenn ihr gar keine Ahnung habt, was die Schulseelsorge macht, dann haben wir einen schlechten Job gemacht. Was denk ihr macht die Schulseelsorge? Wir: Wenn Schüler ein Problem haben oder sonst irgend jemanden zum Reden braucht, kann man zu ihnen kommen. Ja genau, dass sie einen Ort haben, wo sie sich mit jemandem austauschen können oder dass sie wissen, dass was sie hier sagen, vertraulich behandelt wird. Was hier gesagt wird, bleibt auch hier. Selbstverständlich sind wir aber auch für die religiösen Veranstaltungen zuständig.

Was für religiöse Veranstaltungen organisieren sie?

Wir organisieren die Schuleröffnung, die Weihnachtsfeier, Schulschlussfeier und schauen, dass jede Klasse mindestens einmal im Semester irgendetwas Religiöses macht.

Das heisst, Sie sind auch hier, um Projekte zu machen, dass die Schüler auch noch etwas anderes von dieser Schule sehen?

Genau, wir sagen für die Schule lernen und gute Noten schreiben ist gut und recht aber wir wollen eigentlich auch mitteilen, dass es auch mehr gibt als nur gute Noten. Das Leben ist wertvoll. Es besteht nicht nur aus guten Noten und Leistungen in der Schule. Es ist sinnvoll, zu lernen, aber wenn es mal mit dem Lernen nicht so klappt, kann man sich an anderen Werten erfreuen. Somit wird auch der Leistungs-Druck ein bisschen weggenommen.

“Wir wollen eigentlich auch mitteilen, dass es auch mehr gibt als nur gute Noten.”

Wir haben ja auch eine Ministranten-Gruppe und ich höre von den Ministranten oft, dass man im Alltag immer so viel leisten muss. Aufpassen und aufmerksam sein müssen. Mitten im Tag anstatt geben aber einfach mal ruhig werden, die Stille einfach geniessen und mit den Gedanken mal abschweifen zu können, das tut schon gut. Aber man muss sich auch Zeit dafür nehmen.

Waren Sie immer Seelsorger? Oder haben Sie etwas anderes davor gemacht?

Ich bin tatsächlich erst seit diesem Schuljahr Schulseelsorger. Ich habe einen Mitbruder ersetzt, der jetzt nicht mehr an der Schule ist. Er hat jetzt eine andere Aufgabe bekommen und ich bin in diesem Fall einfach hinterhergerutscht. Vorher war ich einfach ein normaler Lehrer gewesen.

Haben Sie das entschieden?

Bei uns entscheidet bei solchen Fragen der Abt. Er überlegt sich wer für eine solche Aufgabe in Frage käme. Und dann ist er zu mir gekommen und hat mich gefragt. Wärst du bereit diese Aufgabe zu tragen?

Wie können Sie sich in die Lage der anderen Person versetzen?

Ich glaube, was sehr wichtig ist, ist zuhören zu können. Das ist auch unser Schuljahresmoto: asculta. Jede Lebens-Situation ist anders. Wir sollen nicht sagen: Ja das kenne ich schon. Den vielleicht ist es dann doch ein bisschen anders als wir gedacht haben. Zuhören, was erzählt wird. Für den Erzählenden ist es eine wichtige Erfahrung zu wissen, da gibt es jemanden, der mir zuhört, ohne dass man gerade bewerten oder über einen geurteilt wird. Ja dann versuch ich es auch für mich. Ich  vergleiche meine eigenen Erfahrungen mit dem Gehörten. Ich versuche das Gehörte nicht nur im Kopf zu verarbeiten, sondern es auch zu spüren. Was heisst das dann konkret? Manchmal sind Erfahrungen, die ich noch nie erlebt mit anderen zu vergleichen. Aber ich glaube zuhören ist der erste und richtige Schritt.

Mit welchen Problemen können die Schüler und Schülerinnen zu Ihnen kommen?

Grundsätzlich können sie mit allem kommen, was sie beschäftigt. Was ein Problem ist, ist individuell. Es können Leute kommen, die ein Problem zu Hause haben oder ein Problem zu Hause wahrnehmen und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Oder mit anderen Mitschülern, mit Lehrern ein Problem haben oder mit dem Druck nicht so gut umgehen können. Sie kommen auch mit Fragen. Es müssen nicht nur Probleme sein.

Kommen auch Lehrer oder Eltern zu Ihnen?

Ja.

Kommen die dann auch mit Problemen?

Ja. Wir stehen nicht nur ausschliesslich für Schüler. Vielleicht nehmt ihr das nicht so wahr, wenn es einem Lehrer nicht so gut geht. Aber auch Eltern und Lehrer brauchen manchmal jemanden zum Reden.

“Auch Eltern und Lehrer brauchen manchmal jemanden zum Reden.”

Arbeiten auch Frauen in der Schulseelsorge?

Nein. In der Schulseelsorge sind wir nur zu zweit P. Cyrill und ich. Wir haben aber auch die Möglichkeit, wenn jetzt jemand eine externe Beratungsperson möchte, nicht nur spirituell sondern auch physisch, dann haben wir die Möglichkeit sie weiter zu verweisen. Zum Beispiel zu einer Schulpsychologin oder einem Schulpsychologen. Also dort kann man wählen zwischen Mann oder Frau. Aber da diese Seelsorge eine Stelle ist, die in einem Männerkloster ist, sind es halt zwei Männer.

Wie lange gibt es die Schulseelsorge schon?

Zu meiner Zeit wurde sie frisch aufgegriffen. Man hatte gemerkt, dass es immer weniger Klöster mit eigenen Lehrern gibt, also Mönche, die unterrichten. Und so kam es, dass man nicht mehr schnell nach der Mathe mit einem Mönch reden konnte. Da kam das Gefühl auf, dass man das ganze besser organisieren müsste und die Seelsorge noch ein bisschen mehr bekannt machen müsste. Das es dieses gibt, ich sage jetzt mal so, es gibt sie seit etwa 15 Jahre.

Was für eine Aufgabe sehen Sie eigentlich für sich selber?

Also mein Ziel ist es schon, einfach Leute zu begleiten zu einem Leben das Freude macht, dass man dieses als Glück empfindet. Dies versuche ich als Lehrer oder auch als Schulseelsorger zu machen. Ja, dass die Leute ihren Weg finden und dass wir die Schule so machen können, dass man gerne dort hingeht. Die Schüler verbringen so viel Zeit bei uns. Es wäre eigentlich extrem schade, wenn diese einfach ein Muss wäre. Ein Absitzen. Immer daran zu denken: Hoffentlich ist die Schule schnell vorüber und hoffentlich vergehen die 6. Jahre schnell. Für das wäre das Leben einfach viel zu schade. Was heisst das eigentlich miteinander zusammenzuleben? Und was kann ich davon mitnehmen?

Wollten Sie schon von Anfang an eine Lehrperson werden oder wollten Sie einfach etwas Zusätzliches machen?

Als Mönch ist es eben noch lustig, dass wir uns nicht nur den ganzen Tag mit Religiösem beschäftigen, sondern dass wir drei Pfeiler haben, die das Mönchsleben ausmachen. Der erste ist das Gebet, der zweite ist die Lesung, die persönliche Weiterentwicklung und der dritte ist die Arbeit. Diese drei Pfeiler sind etwa gleich zu gewichten. Der heilige Benedikt, unser Ordensgründer, sagt: Nicht den gesamten Tag arbeiten, aber auch nicht nur beten.

Herzlichen Dank für das Interview!

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