Ich habe keine Angst mehr

Der Text wurde für die Veröffentlichung anonymisiert.

Angst ist ein Begriff, der mich vier Jahre lang immer und überall hinbegleitete. Angst kommt vom griechischen Wort “agchein”, das soviel bedeutet wie “würgen” oder “die Kehle zuschnüren”. Auch im Duden wird Angst als Bedrückung oder ein eingehender Gefühlszustand beschrieben. Und genau so fühlt es sich auch an. Meine Ängste hatten die Überhand über mich und ich verlor die Kontrolle. Für lange Zeit sah ich keinen Ausweg aus meiner Situation, doch ich konnte sie besiegen. 

Gegen Ende der sechsten Klasse wurde ich stark mit verbalem Mobbing und konkret mit Cybermobbing konfrontiert. Anfangs störte es mich nicht sehr. Doch als ich merkte, wie ich mich immer mehr zu einer Person entwickelte, die ich selbst nicht sein wollte und Ängste aufkamen, die ich so nicht kannte, wusste ich, dass es so nicht mehr weitergehen konnte.

Das erste Mal traten meine Ängste an meinem ersten Schultag am Gymnasium auf.  Sie kamen nicht in Form von sozialen Ängsten oder einer Hypochondrie, sondern sie zeigten sich mehr durch ein Gefühl der Belastung und zwanghafte Verhaltensweisen. Doch ich versuchte sie immer mit aller Macht zu meiden und verdrängte sie immer mehr. Bald konnte ich nicht mehr alleine raus, da mich ständig das Gefühl überkam, dass mir etwas zustossen könnte. Mein Herz raste wie verrückt, wenn ich morgens aufstehen musste, um zur Schule zu gehen. Abends blieb ich eine Stunde länger wach, nur um meinen Vorhang perfekt zu richten. Ich verlor den Boden unter den Füssen und war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen.

Lange Zeit schämte ich mich für meine Ängste. Sie schränkten mich in allem, was ich tat ein, und die banalsten Alltagssituationen wurden zum Horror. Ich fühlte mich alleine und von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Es kam mir vor, als wäre ich in ein tiefes Loch gefallen, aus dem mir niemand raushelfen kann und das kein Ende findet. 

Was mir in dieser Situation am meisten Halt gab, war meine Familie. Auch wenn ich mich nicht verstanden fühlte, vermittelten sie mir immer eine gewisse Sicherheit, für mich da zu sein. Auch mein christlicher Glaube war für mich in dieser Zeit eine grosse Stütze und ein Hoffnungsträger. Die Einschränkungen und gesundheitlichen Auswirkungen meiner Ängste breiteten sich jedoch so stark aus, dass ich wusste: “Ich brauche professionelle Hilfe”.

Über zwei Jahre lang besuchte ich eine Psychologin und las Bücher über Angstbekämpfung. Immer mehr merkte ich, wie ich von dieser dazu gezwungenermassen pessimistischen Person wieder zu meiner optimistischen Art zurückfand und auf einem begleitenden Weg wieder zu mir selbst wurde. Mittlerweile kann ich offen über das Thema sprechen und meine Gefühle auch mit anderen teilen. Abschliessen konnte ich mit meinem Trauma jedoch erst, als ich meine Maturaarbeit geschrieben habe. Darin berichte ich über mein Umgehen mit Mobbing, die daraus entstandenen Ängste und verarbeitete meine Gefühle in einem Lied. 

Ängste können, sofern man sie überwinden konnte, jedoch nicht nur negativ sein. Das Gefühl, das man hat, nachdem man seine Ängste besiegt hat, erfüllt einen mit Stolz und gibt einem Kraft, auf seinem Lebensweg weiterzugehen. Durch die Verarbeitung meiner Ängste lernte ich zu verzeihen und entwickelte mich zu der Person, die ich jetzt bin. Eine selbstbewusste, starke, junge Frau, die ihren Weg geht und sich nicht mehr so leicht von ihrem Ziel abbringen lässt. Auch hat es mir neue Türen zu meiner Zukunft geöffnet. Ich will Psychologin werden und durch meine Erfahrungen weiteren Menschen die Möglichkeit geben, sich zu überwinden und sagen zu können: “Ich habe keine Angst mehr”! 

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