Justizinitiative – Demokratiegewinn durch Losverfahren?

von Noah Camenzind (6c)

Bei den Römern hiess es noch “alea iacta est.” Heute würde dies der gefallene Hammer im Gerichtssaal symbolisieren: Die Würfel sind gefallen. Bei der kommenden Volksabstimmung am 29. November wird es nun um die Personen gehen, welche in Zukunft am Bundesgericht diesen Hammer schwingen dürfen. Denn am sich seit Jahren bewährten System wird gerüttelt. Somit rückt die meist im Hintergrund arbeitende Judikative ins Rampenlicht. Ihr wird nachgesagt, dass sie zunehmend in eine parteiliche Abhängigkeit geraten würde. Ist also eine entsprechende Revision, welche das Losverfahren beinhaltet, nötig?

Die höchsten Hüter der Schweizer Gesetze sind in Lausanne am Bundesgericht tätig. Die 38 Bundesrichter entscheiden als letzte Instanz über gerichtliche Verfahren. Sie werden alle sechs Jahre von Bundesrat und Parlament gewählt beziehungsweise bestätigt. Dabei wird auf eine gerechte Sitzverteilung geachtet. Diese Gerechtigkeit widerspiegelt sich in einer Ausgewogenheit von folgenden Faktoren: parteiliche Zugehörigkeit, Sprache und Herkunft der Personen. So wird eine möglichst gerechte Repräsentation der Schweiz sichergestellt. All diese Faktoren sollten also ein missbrauchsicheres Konstrukt darstellen. In den vergangenen Jahren gab es jedoch auch die eine oder andere Affäre zu beklagen, Causa Lauber, um nur ein Beispiel zu nennen.

Neu würde eine vom Bundesrat gewählte Fachkomission geeignete Kandidaten auswählen und diese anschliessend per Los bestimmen. Bei einer Annahme der Initiative würde es zudem keine Wiederwahl mehr geben, die Richter würden bis maximal 70 im Amt bleiben. Zusätzlich gäbe es keine Mandatssteuer mehr. Vergangenen Freitag liess Karin Keller-Suter in der Abstimmungsarena diesbezüglich verlauten, dass sie mit 15’000 Franken aufkommen müsse.

Die Unternehmergruppe rund um den Initiant Adian Gasser sehen dies als Anlass 2019 eine Initative einzureichen, welche knapp 130’000 Personen unterzeichnet haben. Ihnen ist zum einen die parteiliche Bindung der Richter ein Dorn im Auge. Es sei diskriminierend gegenüber Parteilosen, welche praktisch von der Wahl ausgeschlossen seien. Das Begehren würde auch diesen Personen die Möglichkeit einer Wahl bieten.

Auch wird mit einer sich steigernden richterlichen Qualität argumentiert. Durch die Komission würden nicht Parteiangehörige, sondern fachlich kompetente Personen ausgewählt. Dadurch würde neu Wissen über Konkordanz stehen.

Des Weiteren würde die oben bereits angesprochene Mandatssteuer verschwinden. Diese parteiliche Abgabe wurde bisher selber reguliert und kann meist kaum nachvollzogen werden. Die Initianten finden, dass diese willkürliche Massnahme beseitigt werden soll.

Zuguterletzt soll auch die richterliche Unabhängigkeit gestärkt werden. Durch das Erlöschen der parteilichen Bindung gäbe es keinen Druck mehr von Dritten. Vor einigen Jahren wurde ein solcher Fall seitens der SVP bekannt. Ihr Bundesrichter wurde zur Abwahl empfohlen, da er nicht parteigetreu gehandelt habe. Schlussendlich wurde er trotzdem durch die übrigen Parteien bestätigt.

Alle im Parlament vertretenen Parteien sehen dies anders. Einstimmig haben sie die Nein-Parole gefasst. In ihrer Haltung werden sie zusätzlich vom Richterverband der Schweiz unterstützt. Nur mit einer Gegenstimme im Nationalrat wurde der Vorschlag abgeschmettert.

Sie nehmen das Los als einen Fremdkörper wahr, der neu in der direkten Demokratie der Schweiz Platz finde. Dies sei ein Verlust an Demokratie und schade dem ganzen System. Neu würde nicht mehr die Gewaltenteilung das System bestimmen, sondern vielmehr der Zufall. Eine Amtsperiode würden den Glücklichen, nich aber den tüchtigen Richtern zustehen. Das Prinzip der gegenseitigen Überwachung, wie es die Gründungsväter einst vorgesehen hatten, wäre also gestört.

Auch bekräftigt das funktionierende System ihre Haltung gegenüber dem Los. Aktuell sei kein Wechsel am System der Judikative notwendig. Dies mag zwar simpel und konservativ klingen, sei aber ein Abbild der aktuellen Situation.

Gegner sagen auch, dass die Legitimation der Richter essenziell sei. Es wäre nicht mehr vom Volk nachvollziebar, warum die bestimmten Personen ihr Amt bekleiden dürfen. Das Losverfahren wäre ein Sonderweg, der mehr Probleme als Lösungen biete.

Mit diesem Volksbegehren wird eine sehr komplexe Thematik aufgegriffen. Darum überrascht auch die hohe Unsicherheitsquote von mehr als 10 Prozent in der ersten Umfrage nicht. Meiner Meinung nach will diese Initiative ein Problem lösen, welches gar nicht existiert. Der “status quo” ist stichhaltig und bietet die Basis für einen Rechtsstaat, der die Rechte der Bürger verhältnismässig beurteilt. Somit würde das Losverfahren zu einem Demokratieverlust anstatt einem Gewinn führen. Darum ist ein Nein am 29. November die einzig vernünftige Antwort!

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